Dienstag, 13. November 2018

Leitkultur

Wo fange ich an?
Samstag.
Das Kind hatte Samstag einen Friseurtermin.
Da geht er ja schon seit einer gefühlten Ewigkeit alleine hin.
Diesmal kam er vorher zu mir, drückte mir Zettel und Stift in die Hand und meinte:
"Mama, unterschreib' da drauf mal, dass Du damit einverstanden bist, wenn ich mir die Haare grün färben lasse."
Ich unterschreibe ihm das gerne.
Ein Andermal.
Musste dem Kind erklären, dass
1. Er einen Termin zum Schneiden, nicht zum Färben, hat.
2. Färben eben länger dauert.
3. Er sich erst erkundigen muss:
gibt es mittlerweile vielleicht Tönungen, die sich nach und nach auswaschen
oder hilft bei Nichtgefallen nur eine Schur?
4. Das Gros der Kundschaft aus Damen gesetzteren Alters besteht
und ein Knallgrün vielleicht nicht vorrätig ist, weil es eher selten gefragt wird.
Er sollte mit seiner Friseurin drüber sprechen.
Hat er nicht gemacht.
Wenn er sich scheut, mit seiner Friseurin - die er echt mag -
über grüne Haare zu sprechen, frage ich mich,
ob er es wirklich wagen möchte,
mit grünen Haaren durch die Gegend zu laufen.
Wir werden sehen.
Meinen Segen hat er.
Mittags dann die Samstagskür.
Einkäufe schleppen.
Abends fuhren wir alle drei nach Düsseldorf.
Im Kulturzentrum Ehrenhof gab es ein Jubiläumskonzert der
Japanischen Philharmoniker Düsseldorf.
98 Prozent der Musiker und Zuhörer waren Japaner
und ich musste ständig an diese erbärmlich verängstigten Spinner denken,
die in Zuwanderung fremder Kulturen
den Untergang des Abendlandes sehen. 
Und wir drei sitzen da und hören Brahms, Schumann und Bartholdy.
Da sieht man mal wieder,
wie beschränkt das ist.
Die echte, allgegenwärtige "Deutsche Leitkultur" konnte man zu Genüge
in den Eingängen angrenzender Museen beobachten.
Zahllose Obdachlose suchten dort Schutz vor dem Regen.
Ein Land voller Menschen, die solche Schicksale unter den Ihren wortlos hinnehmen,
solange es heisst:
Lieber er, als ich...
Doch, doch... Das ist Kultur...
...Laternesingend dran vorbei gehen,
weil vor vielen hundert Jahren mal jemand was gespendet hat...
Ich schweife ab.
Wir waren natürlich auch nicht zufällig dort.
Ein Arbeitskollege des Gatten und dessen Frau,
standen Samstagabend mit auf der Bühne.
Dieser Arbeitskollege war einer der wenigen "Nichtjapaner" des Ensembles.
"Angeheirateter Japaner", sozusagen.
Für das Kind war es das erste, wirklich klassische Konzert
und er hofft, dass er ab jetzt für lange Zeit,
vom Besuch derartiger Veranstaltungen befreit ist.
Er hat sich jedoch zu keiner Zeit gewagt,
laut zu nörgeln, sondern artig, still und leise gelitten.
Gutes Kind.
Ich habe den Abend sehr genossen.
Ich würde nie auf die Idee kommen,
mir klassische Musik anzuhören
aber ich beobachte Musiker so gerne bei ihrem Spiel.
Nachhaltig beeindruckt hat mich die junge Japanerin am Kontrabass.
Eine winzige Frau, an einem monströsen Instrument.
Während die beiden Herren neben ihr allenfalls auf Kinnhöhe griffen,
spielte sie in Höhe Haaransatz oder sogar über Kopf,
dort, wo eine Flamencotänzerin mit den Kastagnetten klappert.
Außerdem saß eine Frau im traditionellen Kimono eine Reihe vor uns.
Deren Outfit hätte ich gerne noch in Ruhe betrachtet.
Ihre Freundin kam im Hosenanzug und außer uns Japantouristen,
schien ihr Auftritt niemanden zu überraschen.
Sonntag
habe ich Vormittags für Verpflegung gesorgt und bin zur Mittagszeit,
mit Bratäpfeln und Schinkenröllchen im Gepäck,
zu meiner Mom gedüst.
Käffchentrinken, Pläne schmieden.
Gestern
musste ich wieder gegen meine Monster ankämpfen.
Es war... schwierig
und wurde erst gegen Abend besser,
als das Nötigste an Hausarbeit und Kindergedöns trotzdem erledigt war.
Der Kumpel kam vorbei und wir gingen gemeinsam zum Martinszug der Grundschule.
Das heißt: die Kumpel liefen mit ihrer ehemaligen Klassenlehrerin mit,
wir Erwachsenen bewachten die Grillwürstchen und Weckmänner.
Große Kinder sind super.
Heute
bin ich nur noch einen Kaffee
von der Fahrt in die Stadtmitte entfernt.
Ich habe eine Vollmacht meiner Mom in der Tasche,
(Nein. Wegen grüner Haare brauche ich sie nicht mehr um Erlaubnis fragen...)
damit ich ihre Krankenakte beim Augenarzt abholen darf.
Vor ein paar Jahren habe ich ihr diese Praxis rausgesucht,
weil sie sie ganz bequem mit der Straßenbahn erreichen könnte.
Könnte! Könnte sie sicher auf ihren eigenen Beinen stehen.
Aber so unsicher und langsam, wie sie ist,
kann ich mir auch nur schwer vorstellen,
sie in irgendeinem City-Parkhaus auszuladen
und mit ihr durch die Fußgängerzonen zu marschieren.
Meine Augenarztpraxis nimmt sie auf.
Die ist einfacher zu erreichen.
Heute Abend gehen der Gatte und ich in die Kneipe.
Da wird Theater gespielt.
Davon später vielleicht mehr.

Schöne Zeit!

;O)

Mari




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Dieses Blog ist mit Blogspot erstellt und wird von Google gehostet.
Wenn Du einen Kommentar hinterlassen möchtest, werden außer Deinem Text auch der Zeitpunkt und Dein Nutzername gespeichert und veröffentlicht.
Wählst Du die Funktion „Anonym“, bleibt Dein Nutzerrname unsichtbar.
Ferner wird Deine IP-Adresse von Google aus Sicherheitsgründen mitprotokolliert.
Du kannst hier auch nachfolgende Kommentare abonnieren. Wenn Du diese Funktion durch das Setzen des entsprechenden Häkchens auswählst, erhältst Du eine automatische Bestätigungsmail an Deine angegebene E-Mail-Adresse (Double-Opt-In-Verfahren).
Das Abonnement kannst Du jederzeit beenden.
Mehr Informationen über meinen und Googles Umgang mit Deinen Daten, findest Du über diesem Post in:
MEINE DATENSCHUTZERKLÄRUNG und
WAS GOOGLE ÜBER SICH SAGT.
Wenn Du Hilfe benötigst, stehe ich Dir gerne zur Verfügung.
Schreibe mir einfach eine Mail an: marioenkes.chroniken(at)gmail.com
Solltest Du mit all dem einverstanden sein,
dann hau‘ in die Tasten!
Ich freue mich über Deinen Kommentar!
Schöne Zeit!
;O)
Mari