Sonntag, 13. September 2020

War was?

 Tach, Zusammen.


Ob was war?

Aber Hallo.

Die vergangenen Wochen waren im Großen und Ganzen...

doof.

Anstrengend, besorgniserregend, ... doof.

Sie begannen mit einem Notruf für Schwiegervattern, der eine Einweisung ins Krankenhaus und einen Herzschrittmacher zur Folge hatte. Wirklich anstrengend war in diesem Fall jedoch eher, Schwiegermuttern durch ihren Alltag zu bugsieren, die die Coronaregeln im Krankenhaus weder verstand, noch behielt. Voranmelden, doppelseitigen Fragebogen ausfüllen, pünktlich einchecken und zwar allein, als einziger Besucher, Nümmerchen bekommen, gut aufbewahren und wieder abgeben müssen und das alles für 30 Minuten Besuchszeit. Ich durfte sie bis zum Aufzug bringen und dort auch wieder abholen, immer in Handykontakt mit Schwiegervattern, denn wir hätten sie in dem riesigen Krankenhaus sonst verloren. Mit Schwiegervatterns Entlassung verschwand auch die größte Sommerhitze und nachdem wir uns ein Wochenende lang quasi von frischem Pflaumenkuchen ernährt hatten, fiel mir auf, dass sein letzter Krankenhausaufenthalt genau ein Jahr zurück lag. Rettungsdienst und Pflaumenkuchen. Ich könnte mir schönere Assoziationen vorstellen.

Die Arbeit ist anstrengend. Ja klar. Ist ja auch Arbeit, ne? Fuck.

 Aber die Kinder sind zufrieden. Während in Notbetreuungszeiten alle möglichst schnell nach Hause wollten, hört man nun immer wieder: "Noch nicht! Lass mich noch ein bisschen hier bleiben!". Trotz Maske, trotz getrennter Jahrgänge. Das tut gut. Sobald aber ein Rädchen im ausgefeilten Arbeitsplan klemmt, kommt alles zum Erliegen. Neulich ist den Kindern im ersten Essen ein kleiner Eimer mit Putzwasser umgekippt. Der musste natürlich aufgewischt werden, das dauerte ein paar Minuten länger als geplant und schon war an allen anderen Stellen im Haus Holland in Not. Vor Corona hätten alle einfach auf dem vorderen Schulhof gewartet, bis die Kollegin mit Tischdienst grünes Licht für's zweite Essen gab. Nun scheuchte eine Kollegin alle Kinder, die schon mit dem Essen fertig waren, auf den vorderen Schulhof, ich fing auf dem hinteren Schulhof Kinder ab, die gerade aus dem Unterricht kamen, dritte und vierte Klasse getrennt, versteht sich und die vierte Kollegin schickte die Kinder auf den Weg, die um 13:15 Uhr nach Hause gehen. Endlich im Essen, fehlten noch Kinder. Die fand ich allein in den Räumen der vierten Klasse. Die Lehrerin, die im Büro mit ihnen Hausaufgaben gemacht hatte, hatte sie Spielen geschickt. Das ist vergleichbar mit dem Warten an der roten Ampel. Bis alle wieder angefahren sind... Eigentlich bräuchten wir so einen Knopf im Ohr, leuchtende Warnwesten und Kellen, wie die Bodenlotsen auf den Flughäfen. Am besten noch eine vor die Maske geschraubte Flüstertüte, damit einen endlich wieder jemand hört, wenn man über den Schulhof brüllen muss, um Blickkontakt einzufordern. 

Das Schlimmste der letzten Wochen war jedoch, dass der Schulstart des eigenen Kindes nicht schön war.

Das Kind hat einen neuen Lateinlehrer. Das war abzusehen, nach zwei Jahren geben die Lehrer an dieser Schule ihre Klassen spätestens wieder ab. Ebenfalls abzusehen war, dass es jeder Nachfolger schwer haben würde, denn der junge Mann hatte die Messlatte sehr hoch gehängt. Der Lateinunterricht machte den Kindern Spaß. Der derzeitige Lehrer ist der ehemalige Lehrer des ehemaligen Lateinlehrers. In den ersten beiden Stunden machte es noch großen Eindruck auf das Kind, quasi vom Meister persönlich zu lernen und dann beschlich ihn das Gefühl: "Ich glaub', der kann mich nicht leiden.". Weiter ging es mit: "Der nimmt mich eigentlich immer nur dann dran, wenn ich mich nicht melde." und es folgte: "Wenn der mich einmal aufgerufen hat und ich weiß die Antwort nicht, lässt der mich die ganze Stunde nicht mehr in Ruhe.". Plötzlich hatte das Kind also Angst vor einem Lehrer und wollte nicht mehr in dessen Unterricht. Was auch immer der Mann durch sein Verhalten bezwecken wollte, der Schuss ging nach hinten los, denn anstatt sich besser auf den Unterricht vorzubereiten, mied das Kind den Umgang mit den nun verhassten Büchern und jeden Gedanken an den für ihn unberechenbaren Lehrer. "Ich weiß sowieso nicht, was der von mir will, denn ich komme ja nur dran, wenn ich die Antwort nicht kenne. Ich würde dann auch mal gerne von jemandem eine richtige Antwort hören. Da hilft es mir auch nicht, wenn die anderen hinterher sagen: "Aaaaaalter, der hatte dich aber wieder in der Mobbingzange..."." Ab diesem Zeitpunkt hasste ich ihn auch und wäre liebend gern in der Schule aufgelaufen, um ihn zu würgen. Dafür bin ich aber zu gut erzogen. Auch der Vorschlag, ihn nach der Schule zu verkloppen, wurde vom Kind dankend abgelehnt. Es ist uncool, wenn Mutti sich einmischt. So konnte das aber nicht weitergehen und deshalb organisierte ich dem Kind einen Termin bei seinem Vertrauenslehrer, der zufällig auch sein Klassenlehrer ist. Von seinen Klassenkameraden kam nur: "Aaaaalter, ich würd' das nicht machen." und auf die Frage, ob ihn jemand zum Gespräch mit dem Vertrauenslehrer begleiten würde, gab es keine verlässliche Antwort. Alle hatten die Hosen voll und jeder, der jetzt denkt: "Warum spricht er denn nicht einfach mit dem Lehrer?", der gehe mal in sich und frage sich, wann er einer solch mächtigen Person in seinem Leben, zuletzt die Meinung gegeigt hat. Zum Vertrauenslehrer ging das Kind also allein, obwohl ich hatte anklingen lassen, dass vielleicht Verstärkung dabei sein würde. Im Nachhinein vielleicht ganz gut, denn dass sich andere nicht trauen, sagt ja auch was aus und das Kind wurde auf Anhieb ernst genommen. Der Vertrauenslehrer erwischte den Lateinlehrer noch am selben Tag im Lehrerzimmer, sprach mit ihm und schlug einen Termin für ein gemeinsames Gespräch vor. Dazwischen lagen vier Lateinstunden, die für das Kind erträglich verliefen. "Ich bin mal dran gekommen, als ich mich gemeldet habe und auch einmal, als nicht. Aber jetzt kommen auch mal andere dran, die sich nicht melden. Nicht immer nur ich. " Geteiltes Leid... Und zu der Stunde kurz vor dem Gespräch: "Ich konnte mich voll oft melden. Ich hatte die Hausaufgabe falsch übersetzt aber dann in der Schule richtig verstanden. Man musste eben auch da auf die Fälle achten. Der Test? Zwei. Der Herr NamedesLateinlehrers hat uns eine Liste mit Vokabeln gegeben, die wir unbedingt für die Arbeit können müssen und außerdem....laberlaberlaber." Im Gespräch meinte der Lehrer, er hätte das Kind dran genommen, weil er sich zu selten meldete und durch sein Nachbohren wollte er sicher stellen, ob der Stoff verstanden wurde oder nicht. Gut zu wissen, fand das Kind. "Heute hat er sich übrigens ein Mädchen vorgeknöpft. Aber die war lange krank und nächste Woche schreiben wir ja die Arbeit. Die muss noch einiges aufholen." Aha. Und ob dieser kleinen Hintergrundinformation hat dieses Mädchen jetzt vielleicht Schiss vor der anstehenden Arbeit aber nicht zwingend vor ihrem Lehrer.

Ich bin stolz auf das Kind. Von dem Mut und dem Charakter, den er bewiesen hat, können sich Andere eine Scheibe von abschneiden. Und ich bin stolz auf mich, weil ich mir auf die Zunge gebissen und nicht gegen diesen Lehrer gehetzt habe. Schließlich müssen die beiden mindestens zwie Jahre miteinander auskommen. Dabei hat mir der Gedanke an seine Lateinstunden täglich den Magen umgedreht und in meiner Vorstellung sieht der Mann immer noch aus, wie die männliche Form meines alten Lateindrachens. Aber jetzt ist erstmal Ruhe eingekehrt.

 Ich gehe gleich wählen. Den Job im Wahllokal bin ich vorerst los. Ich wollte meinen Schriftführerkram ja an einen jungen Mann abtreten, der in den letzten Jahren immer mein Stellvertreter war. Aus mir unerklärlichen Gründen war das nicht möglich. Wer da jetzt Schriftführer ist, weiß ich nicht, als Beisitzer wollten sie mich auf jeden Fall nicht haben und haben mich meines Ehrenamtes enthoben. Herzlichen Dank auch. Naja. Hab ich heute also frei. Kann ich gut mit umgehen.



Schöne Zeit!


;O)


Mari