Samstag, 15. August 2020

Freitag, 14.08.20

 Das war seit langem die erste Nacht, in der ich so etwas wie normalen Schlaf bekam. Wach war ich trotzdem schon vor fünf. Beim Gang auf den Balkon erwischte ich eine Gewitterwolke in flagranti, die sich gerade in nordnordwestlicher Richtung austobte. Vielleicht bekam das Optikergoldstück einen Guss ab. Die Entfernungen sind schlecht einzuschätzen.


Nachdem Gatte und Kind aus dem Haus waren, ging ich sofort in den Garten und hantierte eine Weile mit dem Rasensprenger rum. Ich müsste unbedingt das Zucchini- und das Kräuterbeet jäten, doch auf beiden steht morgens schon früh die Sonne, da warte ich lieber bedecktere Zeiten ab. Zurück in der Wohnung, ging es sofort unter die Dusche und danach bekam ich nicht mehr den richtigen Dreh. Es reichte gerade noch für ein ordentliches Frühstück und zum Wäsche aufhängen, die restliche Zeit lief ich eher sinn- und kopflos in der Gegend herum. Ich fand einfach keinen Punkt, an dem ich anfangen konnte und war erleichtert, als ich endlich zur Arbeit aufbrechen durfte. Es ist anstrengend, keinen Plan zu haben.

Hat man einen, muss man mitunter vorausdenken. Als ich am Vortag den Dienstplan studierte, war mir klar, dass ich mit der Chefin zusammenarbeiten würde, noch dazu würde sie vor mir da sein und die Kinder in Empfang nehmen. Eine der Gruppenregeln lautet, dass die Kinder kein eigenes Spielzeug mit in die Betreuung nehmen, denn allzu häufig gibt es Streit oder Tränen, weil Sachen verschwinden oder kaputt gehen. Während der Notbetreuung vor den Sommerferien galt plötzlich die umgekehrte Regel. Die Kinder sollten sich eigene Beschäftigung mitbringen, die Spielsachen der Betreuung waren tabu. Einige Jungen hatten Sammelkarten dabei. Zu diesen Karten existiert ein Spiel, das ich -zugegeben- nicht kapiere, es erinnert ein wenig an Quartett. Am Donnerstag erlaubte ich also drei Jungen, mit diesen Karten zu spielen. Ausnahmsweise, denn wegen Hitzefrei waren ja kaum Kinder da und unter der Auflage, dass sofort Schluss sei, wenn sich um die Karten gestritten wird. "Ich habe keine Ahnung, wie das Spiel funktioniert, ich weiß nicht, wie man es fair spielt, deshalb werde ich auch keinen Streit schlichten können. Wenn ihr eine besondere Karte nicht verlieren wollt, dann dürft ihr sie halt nicht einsetzen." Einer der Jungen lacht und sagt: "Frau Mariönkes, weißt du noch? Bei Corona? Wie du versucht hast, mit mir Yu-Gi-Oh! zu spielen?" Die beiden anderen kichern, die haben also auch schon versucht, ihre Spiele einem Erwachsenen zu erklären. "Ich erinnere mich sehr gut und mit Schrecken. Es war eine Katastrophe, ich dachte, mir platzt der Kopf!" Die Männerrunde gröhlt vor Schadenfreude. So haben die drei also gespielt, anderthalb Stunden lang und hätten noch weiter gemacht, wenn es nicht Zeit für's Mittagessen gewesen wäre. Unter den dreien ist ein Junge, der im letzten Jahr eine Klasse übersprungen hat. Für ihn haben wir zu dieser Zeit ein Schachspiel angeschafft, Strategiespiele fesseln ihn, doch man kann ihn ja nicht ständig an einen Tisch tackern und im Freispiel fiel dann sehr deutlich auf, dass die Sozialkompetenz, im Gegensatz zum Intellekt, völlig altersgemäß entwickelt war. Folglich fand er nicht so richtig Anschluss, war überall und nirgends, beschäftigte sich bevorzugt damit, spielende Kinder zu stören, um deren Aufmerksamkeit zu erhaschen. Dieser Junge saß nun anderthalb Stunden am Tisch und kloppte Karten mit zwei Freunden. Ich habe ihn nicht ein einziges Mal ermahnen müssen. Ich wäre doch schön blöd, wenn ich diese Situation nicht fördern und nutzen würde. Pardon. Nicht schön blöd. Meiner Meinung nach wäre ich verbohrt und doof. Außerdem funktioniert Erziehung in Gruppen genau so. Man definiert eine Grenze, gibt einen Vertrauensvorschuss, beobachtet, was die Kinder daraus machen und stellt normalerweise fest, dass sich die Mehrheit innerhalb der gesteckten Grenze bewegt, denn wie oben bereits erwähnt: es ist anstrengend, keinen Plan zu haben. Den Stress tun sich nur ein paar Ausreißer an. Na gut. Wo war ich? Ach ja. Das war Donnerstag. Donnerstag war das nix Besonderes, ich hab der Truppe erlaubt zu spielen, das klappte super, Punkt. Und dann der Blick auf den Dienstplan. Meine Chefin ist lieb und nett aber erstens nur sehr selten bei unseren Kindern und zweitens hat sie so eine anstrengende Chef-Allüre... Sie kommt, gibt (ungefragt) ihren Senf dazu, rührt alles einmal kräftig um, schwebt von dannen und lässt ihre Mitarbeiter verschwurbelt und verwirrt zurück. Dass sie und die Kartenrunde Stress kriegen würden, lag auf der Hand und so nutzte ich das "goldene Buch" der Gruppe. Eine Kladde für Mitteilungen unter Kolleginnen, in die man, sobald man die Gruppe betritt, hineinschaut, bevor man irgendwelche Entscheidungen trifft. Da schrieb ich sinngemäß rein: "Ausnahme! Die dürfen das! Gezeichnet: Ich.", und riet den Kindern, die Chefin darauf zu verweisen, falls es Probleme geben würde.

Als ich nun zur Arbeit kam, stand die Chefin, mit zwei Lehrern quatschend, auf dem Flur und kaum, dass ich die Gruppenräume betrat, tönte es: "Frau Mariönkes! Regelst du das bitte mit Frau Chefin und sagst nochmal, dass wir spielen dürfen?". Das habe ich. Als die Lehrer weg waren, wurde ich nämlich in den Flur zitiert und man wollte mir die Gruppenregeln erklären. Nach einem deutlichen "Howgh - Ich habe gesprochen" meinerseits, konnten die Jungs in Ruhe weiterspielen. Wieder bis zum Essen um viertel nach eins. Warum ich das hier aufschreibe? Weil es mit den anderen Kolleginnen im Haus überhaupt nicht zu dieser Flurdiskussion gekommen wäre. Jede von uns muss im alltäglichen Ablauf Entscheidungen treffen. Allein. Es gibt nur selten die Möglichkeit, sich sofort abzustimmen. Deshalb schaut man ins goldene Buch, liest nach, was so los war, stärkt dann der Kollegin den Rücken und fährt eine einheitliche Linie. Ob die Entscheidung klug oder blöd war, diskutiert man später, jedoch möglichst nicht vor den Kindern. Was ich gut fand: ich hab's kommen sehen, war vorbereitet und musste mich auch nachträglich nicht aufregen, denn ich möchte nicht in dasselbe Horn tuten. Ein klärendes Gespräch mit der Chefin ist sicher längst überfällig aber ganz sicher wird das nicht auf dem Schulflur stattfinden. 

Nach der Arbeit war ich fix und fertig. Ich hatte das Gefühl, all mein Hirn schon dort verbraucht zu haben. Ich hatte mal wieder nicht genug getrunken, meine Füße brannten (Sandalen ohne Fußbett sind vielleicht luftig, man kann aber eigentlich nur dekorativ drin rumsitzen. Laufen lieber nicht.) und mir war heiß, heiß, heiß.

Ich schaffte es gerade noch, einen Heringssalat zu schnibbeln (Nach drei misslungenen Anläufen und nachdem der Gatte die Küche für mich vorbereitet hatte...), mit dem Eifeler Cousinchen zu telefonieren, zu essen und schlafen zu gehen.

Falsch: ins Bett zu gehen.

Schlafen ging nicht, wegen: heiß!

Doofe Nacht gehabt.


Schöne Zeit!


;O)


Mari


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Dieses Blog ist mit Blogspot erstellt und wird von Google gehostet.
Wenn Du einen Kommentar hinterlassen möchtest, werden außer Deinem Text auch der Zeitpunkt und Dein Nutzername gespeichert und veröffentlicht.
Wählst Du die Funktion „Anonym“, bleibt Dein Nutzerrname unsichtbar.
Ferner wird Deine IP-Adresse von Google aus Sicherheitsgründen mitprotokolliert.
Du kannst hier auch nachfolgende Kommentare abonnieren. Wenn Du diese Funktion durch das Setzen des entsprechenden Häkchens auswählst, erhältst Du eine automatische Bestätigungsmail an Deine angegebene E-Mail-Adresse (Double-Opt-In-Verfahren).
Das Abonnement kannst Du jederzeit beenden.
Mehr Informationen über meinen und Googles Umgang mit Deinen Daten, findest Du über diesem Post in:
MEINE DATENSCHUTZERKLÄRUNG und
WAS GOOGLE ÜBER SICH SAGT.
Wenn Du Hilfe benötigst, stehe ich Dir gerne zur Verfügung.
Schreibe mir einfach eine Mail an: marioenkes.chroniken(at)gmail.com
Solltest Du mit all dem einverstanden sein,
dann hau‘ in die Tasten!
Ich freue mich über Deinen Kommentar!
Schöne Zeit!
;O)
Mari